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Wir leben zwar nicht strikt pflanzenbasiert. Sojaprodukte, wie Sojajoghurt, Edamame oder Tofu stehen jedoch regelmäßig bei uns auf dem Speiseplan. Nun habe ich in der Vergangenheit schon öfter die Empfehlung gelesen, Soja nur in kleinen Mengen an Kinder, vor allem, wenn sie noch nicht drei Jahre alt sind, zu füttern. Im klassischen Breifahrplan, mit dem die meisten Eltern ihre Kinder an feste Nahrung heranführen, spielen Tofu und Co. überhaupt keine Rolle.

Ist Soja also gefährlich für Babys und sollte genauso gemieden werden wie beispielsweise Honig?

Vorneweg: Es gibt einen Grund, warum Soja und daraus hergestellte Produkte als kritisch gelten. Es sind die darin enthaltenen Isoflavone. Isoflavone sind Phytohormone, die wie der Name schon sagt in Pflanzen (Phyton) ähnliche Funktionen übernehmen, wie Hormone im menschlichen Körper. Diese Isoflavone kommen in vielen Gewächsen vor. In Soja und daraus verarbeiteten Lebensmitteln ist die Konzentration jedoch höher, als in anderen pflanzlichen Produkten. Isoflavone besitzen eine ähnliche Struktur wie das Sexualhormon Östrogen. Sie können im Körper an die gleichen Rezeptoren andocken und stehen daher im Verdacht, Prozesse wie die Wechseljahre oder die Pubertät zu beeinflussen.

Sucht man im Internet nach „Soja Babys Studien“ stößt man auf viele, teils sehr reißerische Artikel. Fast alle beziehen sich auf eine einzige Forschungsarbeit aus den USA aus dem Jahr 2017. Weibliche Säuglinge, die sojabasierte Formula-Nahrung erhielten, zeigten hier Veränderungen in der Vaginalschleimhaut und der Gebärmutter im Vergleich zu Mädchen, die Kuhmilch-basierte Säuglingsnahrung bekamen (Harlid et al. 2017). Die Autor/innen untersuchten Proben von den Mädchen jedoch nur einmalig, so dass hier leider keine Aussage über längerfristige Auswirkungen möglich ist, also ob der Befund bestehen bleibt, wenn die Kinder älter sind. Seit 2017 scheinen auch keine anderen Wissenschaftler/innen diese Ergebnisse repliziert zu haben. Außerdem ist nicht ganz klar, was die beobachteten Veränderungen für Folgen haben. Die Autor/innen schreiben dazu: „Bei Mädchen, denen Sojanahrung verabreicht wurde, ist die DNA-Methylierung in der DNA der Vaginalzellen verändert, was möglicherweise mit einer verringerten Expression eines auf Östrogen reagierenden Gens verbunden ist.“ Ob dies potenziell Folgen für die Gesundheit der Mädchen hat, kommt aus der Studie nicht hervor.

Eine andere häufig von der Presse zitierte Arbeit ist eine großangelegte Studie an 1700 Frauen, die im Erwachsenenalter über ihre Ernährung als Säugling befragt wurden. Hier zeigt sich ein Zusammenhang zwischen sojabasierter Formularernährung und stärkeren Schmerzen während der Periode (Kristen et al. 2019).

Das sind also die Ergebnisse von schnell mal googeln und durch ein paar Seiten scrollen. Doch was gibt es noch? Und was ist denn nun mit Tofu, Tempeh oder Sojamilch? Schließlich macht es einen Unterschied, ob ein Säugling ab einem frühen Zeitpunkt mehrfach täglich Isoflavone in Form von Formula-Nahrung zugeführt bekommt oder ob ein Baby ab Beikostreife (mit frühestens sechs Monaten) ab und zu Sojaprodukte isst.

Um sich einen allgemeinen Überblick zu verschaffen, lohnt es sich oft, nach Metaanalysen oder systematischen Übersichts-Arbeiten zu suchen. Glücklicherweise gibt es eine mit dem Titel „Association between a soy-based infant diet and the onset of puberty“. Diese Metaanalyse untersucht den Zusammenhang zwischen sojabasierter Ernährung im Kindesalter und dem Zeitpunkt des Einsetzens der Pubertät. Insgesamt betrachten die Autor/innen acht Studien. Sie umfassen 598 Kinder, mit einer sojabasierten Ernährung und 2957 Kinder, die wenig oder kein Soja in der frühen Kindheit erhielten. Neben sieben Beobachtungsstudien enthält die Übersichtsarbeit auch ein randomisiertes Kontrollexperiment. Die Aufnahme von Soja variiert zwischen den Studien: wie bereits in den oben genannten Forschungen, betrachten einige die Aufnahme über sojabasierte Formula-Nahrung. Aber nicht nur: In der erwähnten Kontrollstudie erhalten Jugendliche in einer Gruppe Proteine aus Soja und in der Kontrollgruppe ein Placebo. Andere Paper untersuchen den Konsum als Teil der Ernährung (zum Beispiel als Tofu oder Tempeh). Der Fokus der Metaanalyse ist dabei der Einfluss auf den Zeitpunkt der ersten Periodenblutung bei Mädchen, das Risiko einer vorzeitigen Pubertät und die Körpergröße bei einer Kontrolluntersuchung in einem bestimmten Alter. Einzelne der betrachteten Studien finden kleine Effekte. So haben Mädchen, deren Eltern angeben, sie mit sojabasierter Formula-Nahrung ernährt zu haben, ein etwas früheres Einsetzen der ersten Periode (vier Monate früher). Allerdings ist die Stichprobe mit 58 Mädchen eher klein und das Alter ist in einer als normal angesehenen Zeitspanne (12,4 Jahre im Vergleich zu 12,8 Jahre) (Adgent et al. 2012).

In einem anderen untersuchten Papier werden 248 Jungen zwischen 12 und 18 zu ihrem Essverhalten und dem Einsetzen der Pubertät befragt. Es zeigt, dass eine hohe Gesamtaufnahme von Soja-Isoflavonen bei den Jungen signifikant mit einem früheren Beginn der Pubertät verbunden ist. Aber auch hier ist das Alter in einem normalen Rahmen: 12,5 Jahre für Jungen, die angeben, viel Soja zu sich zu nehmen, 12,58 Jahre für Jungen mit einem moderaten Konsum und 13 Jahre für Jungen, die selbst angeben, kein Soja zu essen (Segovia-Siapco et al. 2018).

Die gleichen Autor/innen untersuchen 339 Mädchen zwischen 12 und 18 Jahren auf Basis von Fragebögen zu ihrem Essverhalten. Es wurde dabei ausgewertet, ob die Mädchen Sojadrinks, Fleischalternativen aus Soja, Tofu/Tempeh oder alle Sojaprodukte zu sich nehmen und ob dies einen Einfluss auf das Auftreten der ersten Periode hat/hatte. Die Autor/innen finden keine Effekte (Segovia-Siapco et al. 2014).

Hervorzuheben ist auch die erwähnte randomisierte Kontrollstudie. Leider umfasst sie nur 51 Kinder und ist damit sehr klein. 29 von ihnen erhielten über einen Zeitraum von 12 Monaten ein Saftgetränk mit einer Zugabe von Sojaproteinen. Die restlichen 23 erhalten Saft ohne Sojaproteine. Das Ergebnis: Die Autor/innen beobachten keine Unterschiede in der sexuellen Reife der Kinder (Duitama et al. 2018).

Insgesamt schließen die Autor/innen der Metaanalyse wie folgt: „Wir konnten keinen Zusammenhang zwischen einer sojabasierten Ernährung von Kindern und dem Beginn der Pubertät beobachten. Die Metaanalyse zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen für ein Risiko einer vorzeitigen Pubertät oder einem früheren Eintreten der ersten Periodenblutung.

Leider konnte ich kein einziges Papier finden, welches den Konsum von sojabasierten Produkten im Säuglingsalter in Form von Beikost betrachtet. Insgesamt ist hier also definitiv noch Platz und Bedarf für weitere Forschung.

Und dann gibt es noch solche Schlagzeilen: Machen Sojabohnen Kinder schlau? oder im englischsprachigen Raum noch prägnanter formuliert: Eating more soy foods could improve thinking and attention in kids. Was ist davon zu halten?

Naja. Es gibt eine relativ neue Forschungsarbeit aus dem Jahr 2024, die eine positive Korrelation zwischen dem Konsum von Isoflavonen aus Sojaprodukten und den kognitiven Fähigkeiten (vor allem der Schnelligkeit in der Bearbeitung von Tests) von Schulkindern findet. Insgesamt umfasst die Stichprobe jedoch nur 128 Kinder. Und was ganz klar hervorgehoben werden muss: Es handelt sich hier lediglich um eine Korrelation. Nicht um Kausalitäten. Es ist also überhaupt nicht klar, und das schreiben die Autor/innen auch selbst, ob der Sojakonsum ausschlaggebend für ein besseres Abschneiden in kognitiven Tests ist (vgl. Bristina et al. 2024). Es könnte genauso sein, dass hier sogenannte Confounding factors vorliegen. Zwar kontrollieren die Forscher/innen für einige Variablen, wie Haushaltseinkommen oder BMI, aber z. B. nicht für die Intelligenz der Eltern. Nun ist bekannt, dass vor allem Menschen (und davon öfter Frauen), die eher gebildet sind, vegan oder vegetarisch leben. Es könnte also sein, dass Kinder von gebildeteren Eltern öfter Sojaprodukte essen und besser in den Test abgeschnitten haben. Nicht wegen des Sojas, sondern wegen dem intellektuellen Hintergrund der Eltern. Auch hier ist also noch viel Luft nach oben, was die Forschung angeht.

Einige Dinge sind jedoch bekannt und ich möchte Dir zeigen, warum es sich lohnen kann, ab und zu Soja in Deinen und den Speiseplan Deines Babys oder Kleinkindes zu integrieren.

Soja:

  • ist eine qualitativ hochwertige pflanzliche Proteinquelle.
  • besitzt viele Ballaststoffe und kann sich somit positiv auf die Verdauung auswirken.
  • hat einen hohen Anteil an ungesättigte Fettsäuren, welche positiv auf Gehirn, Gefäße und das kardiovaskuläre System wirken
  • ist reich an Eisen, Zink und Magnesium (ließ dazu auch gerne meinen Blogartikel zum Risiko einer Eisenmangelanämie bei Baby Lead Weaning)
  • steht mit seinen Isoflavonen im Verdacht vorbeugend gegen verschiedene Krebsarten zu wirken (z. B. gibt es epidemiologische Studien, die zeigen, dass asiatische Frauen, die im Vergleich zu europäischen Frauen deutlich mehr Sojaprodukte verzehren, seltener an Brustkrebs erkranken)
  • Sojaprodukte wie Edamame, Naturtofu und Tempeh sind wenig verarbeitete Lebensmittel.
  • Soja hat einen deutlich geringeren Wasserverbrauch und eine bessere CO2-Bilanz im Vergleich zu Fleischprodukten.

Ob Du Deinem Baby oder Kleinkind Soja anbieten möchtest oder nicht, ist am Ende natürlich Dir überlassen. Zu den Isoflavonen und deren Relevanz durch den Konsum von Tofu und Co. gibt es wie gezeigt noch einen großen Forschungsbedarf und wahrscheinlich gilt wie bei vielem: Die Dosis macht das Gift. In moderaten Mengen sind Sojaprodukte jedoch ein toller Nährstofflieferant und eine gute Abwechslung zu Fleisch. Gerade in der vegetarischen oder veganen Ernährung kann Soja außerdem bei der Versorgung mit ausreichend Proteinen unterstützen.

Meine Empfehlung daher: Biete Deinem Baby eine ausgewogene Ernährung mit einer Vielzahl an verschiedenen Lebensmitteln an. Das schließt auch Soja in verschiedenen Formen mit ein.

Und noch ein Hinweis: Wenn Du Dir unsicher bist, wie Du Dein Kind ernähren sollst, suche Dir Hilfe bei kompetentem Fachpersonal, wie z. B. Deiner Kinderarztpraxis. Dieser Blogartikel dient Dir dabei lediglich als Informationsquelle und ersetzt keine Beratung durch ausgebildetes medizinisches Personal.

Quellen:

Adgent, M. A., Daniels, J. L. , Rogan W. J., Adair, L., Edwards, L. J., et al. (2012): Early-life soy exposure and age at menarche in: Paediatric and Perinatal Epidemiology 2012; 26: 163–175.


Bristina, A., Manavbasi, I. E., Rosok, L. et al. (2024): Soy Isoflavone Consumption Is Associated With Greater Attentional Inhibition Among School-Aged Children; Abstracts from NUTRITION 2024 – Current Developments in Nutrition 8 Suppl 2 (2024).

Duitama, S. M., Zurita J., Cordoba, D. et al. (2018): Soy protein supplement intake for 12 months has no effect on sexual maturation and may improve nutritional status in pre-pubertal children, in: Journal of Pediatrics and Child Health Volume54, Issue9, September 2018: 997-1004.

Harlid S, Adgent M, Jefferson WN, Panduri V, Umbach DM, Xu Z, Stallings VA, Williams CJ, Rogan WJ, Taylor JA. (2017): Soy Formula and Epigenetic Modifications: Analysis of Vaginal Epithelial Cells from Infant Girls in the IFED Study. Environ Health Perspect. 2017 Mar;125(3):447-452. doi: 10.1289/EHP428. Epub 2016 Aug 19. PMID: 27539829; PMCID: PMC5332195.

Kristen Upson, Margaret A Adgent, Ganesa Wegienka, Donna D Baird (2019): Soy-based infant formula feeding and menstrual pain in a cohort of women aged 23–35 years, Human Reproduction, Volume 34, Issue 1, January 2019, Pages 148–154, https://doi.org/10.1093/humrep/dey303

Oliveira, F. R. K., Gustavo, A. F. S. E., Gonçalves, R. B., Bolfi, F., Mendes, A. L., Nunes-Nogueira, V. D. S (2021): Association between a soy-based infant diet and the onset of puberty: A systematic review and meta-analysis. PLoS One. 2021 May 18;16(5):e0251241. doi: 10.1371/journal.pone.0251241. PMID: 34003856; PMCID: PMC8130953.

.Segovia-Siapco G, Pribis P, Messina M, Oda K, Sabate J. (2014): Is soy intake related to age at onset of menarche? A cross-sectional study among adolescents with a wide range of soy food consumption. Nutrition journal. 2014;13:54. pmid:24889551

Segovia-Siapco, G., Pribis, P., Oda, K. et al. (2018): Soy isoflavone consumption and age at pubarche in adolescent males. Eur J Nutr 57, 2287–2294 (2018). https://doi.org/10.1007/s00394-017-1504-1


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